Erste Zeit

In der Schwangerschaft macht sich jede werdende Mutter und jeder zukünftige Vater Gedanken über das Baby im Bauch, über die gemeinsame Zukunft und natürlich auch manchmal Sorgen, ob alles in Ordnung ist. Dabei hat man oft  Bilder im Kopf, wie dieses Kind aussehen könnte, was man gemeinsam unternimmt und wie es sich anfühlen wird dieses geheimnisvolle fremde und doch schon so geliebte Wesen in den Armen zu halten.
Die Feststellung, dass mit diesem, UNSEREM Kind "etwas nicht stimmt" ist für Eltern das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Die Diagnose: mein Kind hat eine Behinderung versetzt in einen Schock und emotionalen Ausnahmezustand. Dabei ist es normal, zu weinen, Angst zu haben, wütend darüber zu sein, warum das gerade MEINEM Kind passiert, unendlich viele Sorgen zu haben und auch zwiespältige Gefühle dem Baby gegenüber, dass nun so anders ist als erwartet und erträumt.
Diese Gefühle sind normal. Sie sind ein Teil des Verarbeitungsprozesses, den wir alle nach diesem Schock durchgemacht haben. 
Ihr dürft weinen! Ihr dürft wütend sein! Ihr dürft fragen, warum dass gerade euch passiert ist, wo ihr doch alles richtig gemacht habt. Ihr dürft verzweifelt sein! Ihr dürft Angst vor der ungewissen Zukunft haben! 
Und dann werdet ihr euer neues, besonderes Leben und euer neues, besonderes Kind besser kennenlernen und ihr werdet nicht mehr sehen, was euer Kind vielleicht noch nicht kann. Ihr werdet das sehen, was euer Kind einzigartig und wunderbar macht. Und ihr werdet sehen, wie viel euer Kind noch lernen kann und wird. Vertraut auf euch und euer Baby!
Und nach einer gewissen Zeit werdet ihr sehen, wie l(i)ebenswert euer gemeinsames Leben ist! 
 
Hier gibt es noch ein paar Dinge, die euch vielleicht helfen, diesen neuen Weg zu gehen:
 
- Warum ein Kind mit DS zu haben, wie eine Reise nach Holland ist.
 
- Was besondere Eltern und besondere Kinder können/machen/sind
 
- Video einer wunderbaren jungen Frau mit DS, das einfach Mut macht.
 
 
 
 
"Reise nach Holland"
 
von Emily Perl Kingsley, übersetzt aus dem Englischen
 
"Wir werden oft gefragt, wie es ist, ein behindertes Kind großzuziehen. 
Es ist wie folgt:
Wenn man ein Baby erwartet, ist das, wie wenn man eine wundervolle Reise nach Italien plant. Man deckt sich mit Reisprospekten und Büchern über Italien ein und plant die wunderbare Reise. Man freut sich aufs Kolosseum, Michelangelos David, eine Gondelfahrt in Venedig, und man lernt vielleicht noch ein paar nützliche Brocken Italienisch. Es ist alles so aufregend. Nach Monaten ungeduldiger Erwartung kommt endlich der lang ersehnte Tag. Man packt die Koffer, und los geht's. Einige Stunden später landet das Flugzeug. Der Steward kommt und sagt: "Willkommen in Holland." - "Holland ?!? Was meinen Sie mit Holland?!? Ich habe eine Reise nach Italien gebucht! Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, nach Italien zu fahren!"
 
Aber der Flugplan wurde geändert. Du bist in Holland gelandet, und da musst du jetzt bleiben. Wichtig ist, die haben uns nicht in ein schreckliches, dreckiges, von Hunger, Seuchen und Krankheiten geplagtes Land gebracht. Es ist nur anders als Italien. So, was du jetzt brauchst, sind neue Bücher und Reiseprospekte, und du musst eine neue Sprache lernen, und du triffst andere Menschen, welche du in Italien nie getroffen hättest. Es ist nur ein anderer Ort, langsamer als Italien, nicht so auffallend wie Italien. Aber nach einer gewissen Zeit an diesem Ort und wenn du dich vom Schrecken erholt hast, schaust du dich um und siehst, dass Holland Windmühlen hat. Holland hat auch Tulpen, Holland hat sogar Rembrandts.
Aber alle, die du kennst, sind sehr damit beschäftigt, von Italien zu kommen oder nach Italien zu gehen. Und für den Rest deines Lebens sagst du dir: "Ja, Italien, dorthin hätte ich auch reisen sollen, dorthin habe ich meine Reise geplant." Und der Schmerz darüber wird nie und nimmer vergehen, denn der Verlust dieses Traumes ist schwerwiegend. Aber, wenn du dein Leben damit verbringst, dem verlorenen Traum der Reise nach Italien nachzutrauern, wirst du nie frei sein, die speziellen und wundervollen Dinge Hollands genießen zu können."
Copyright © 1987 by Emily Perl Kingsley
All Rights Reserved
 
 
Einfach besonders
 
Nach der Diagnose Down-Syndrom hatten wir eine recht bedrückende Vorstellung von der Zukunft. Wir dachten, dass wir nun nur noch für ein behindertes Kind zu sorgen hätten, nie wieder lachen könnten, keine Hobbys hätten, oder dass an einen Wiedereinstieg in den Beruf nicht zu denken sei. Auch Fragen, wie "werde ich mein Kind später noch hübsch finden, wenn man "Es" sieht" gingen in unseren Köpfen herum.
 
Darum wollen wir hier mal auflisten, wie es so ist, als besondere Eltern eines besonderen Kindes:
 
- besondere Eltern können wieder lachen und sehr albern sein (wirklich sehr albern!)
- besondere Eltern haben wieder Freude an Kino, einem Glas Wein, ganz normalen Dingen
- besondere Eltern haben Freunde, viele besondere neue sogar 
- besondere Eltern haben Hobbys
- besondere Eltern fahren in den Urlaub
- besondere Eltern gehen wieder ihrer Arbeit nach
- besondere Eltern finden, dass ihre Kinder die schönsten auf der Welt sind (wie alle Eltern)
- besondere Eltern können viel von ihren Kindern lernen
- besondere Eltern werden bald eine schlagfertige Antwort auf seltsame Fragen haben
- besondere Eltern haben manchmal auch Krisen, aber sie können darüber mit vielen lieben Menschen reden (z.B. mit uns!)
- besondere Eltern vergessen manchmal total, dass sie besonders sind
- besondere Eltern finden ihr Leben mit der Zeit total normal
 
Und auch über Kinder mit DS hört man so einiges, aber so sieht es aus:
 
- besondere Kinder bezaubern mit einem Lächeln
- besondere Kinder sind oft sehr liebenswert
- besondere Klein-Kindern können auch mal trotzig sein (ist aber auch normal, oder?)
- besondere Kinder hassen Gemüse
- besondere Kinder lieben Schokolade
- besondere Kinder spielen Fußball 
- besondere Kinder haben Freunde
- besondere Kinder gehen in den Kindergarten
- besondere Kinder gehen in die Schule
- besondere Kinder werden zu Geburtstagsfeiern eingeladen
- besondere Kinder lieben Spaß und können aus vollem Herzen lachen
- besondere Kinder können Lesen lernen
- besondere Kinder sind im Sportverein oder bei der Feuerwehr
- besondere Kinder wollen einfach ganz normal sein dürfen
- besondere Kinder wollen, dass man sie fordert und ihnen etwas zutraut